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RDM Neujahrsempfang 2023

Neujahrsempfang besonderer Art!


von Georg Gafron

Neujahrsempfänge gehören zu den Ritualen, die jeweils in den ersten beiden Monaten des neuen Jahres als „Gesetz“ in den Terminkalendern bei den meisten von Ihnen einen festen Platz haben. 2021 und 2022 waren als Corona-Opfer die Ausnahme. Aber endlich – in diesem Jahr – sollte alles wie immer sein.


Dem war aber nicht so, als der Ring Deutscher Makler Landesverband Berlin/Brandenburg (RDM) am 4. Februar traditionell in den legendären Journalistenclub im 19. Stockwerk der Axel-Springer-Hauses in der Kochstraße eingeladen hatte. Vielleicht lag es an der sorgfältig ausgewählten Gästeschar aus Vertretern von Politik, Wirtschaft und Kultur. Hier traf man nicht die, die man sonst immer und überall trifft: kein Austausch von unverbindlichen Belanglosigkeiten. Keiner kam um zu sehen und gesehen zu werden. Ganz einfach keine Schickeria!


Verantwortungsbewusste Unternehmer – natürlich beiderlei Geschlechts – machten das Gros im Ernst-Cramer- Saal – benannt nach dem jahrzehntelangen Weggefährten und Mitstreiter Axel Springers – aus. Nur am Rande sei erwähnt, dass selbst auf einem derart bürgerlichen Empfang nur Wenige mit Krawatte erschienen. Aber da war noch etwas anderes, als sonst: die eigentlich immer etwas aufgesetzt optimistische Fröhlichkeit, die solchen Anlässen eigen ist, kam nicht auf. Plötzlich konnte man sie förmlich spüren, die vom Bundeskanzler Olaf Scholz vor einem Jahr festgestellte Zeitenwende: wieder ein Angriffskrieg mitten in Europa, dessen Ausgang und Weiterungen nicht absehbar sind. Dazu kommt eine deutliche Eintrübung der wirtschaftlichen Lage, verbunden mit einer in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie erlebten Geldentwertung. Plötzlich sind da Zweifel am Erhalt des so lange für selbstverständlich gehaltenen Wohlstands, ja sogar Sorgen um die politische Stabilität unseres Landes.


Es lag am Geschick des Gastgebers und RDM – Landesvorsitzenden Markus Gruhn – eine Reihe von Vortragsrednern zu präsentieren, die – jeder für sich – dazu beitrug, dass dieser Empfang zu einem singulären Ereignis wurde. Bei allen unterschiedlichen Positionen, wie sie bei einem Spektrum von Franziska Giffey über Markus Gruhn bis Gregor Gysi nun einmal sind, zog sich Aufruf zur Eigenverantwortung jedes Menschen für sich Selbst und das Gemeinwesen wie ein roter Faden als Antwort auf alle Besorgnisse durch den Vormittag. Unwillkürlich musste man an den von US Präsident John F. Kennedy Anfang der 60er Jahre an die amerikanische Jugend gerichteten Appell denken: „fragt nicht, was der Staat für Euch tun kann, sondern was Ihr für den Staat tun könnt!“


Nach der wie immer schnörkellosen und pointierten Eröffnung durch Markus Gruhn, der ohne opportunistische Rücksichtnahmen auf mögliche Empfindlichkeiten im Publikum die Missstände in unserer Stadt an mehreren Beispielen auf den Punkt brachte, benannte er genau so klar als Schuldige für den Angriffskrieg in der Ukraine Putin und seine Kamarilla. Gleichzeitig beschwor er nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Geschichte unserer Stadt die Solidarität der Berliner mit dem leidenden ukrainischen Volk als eine Selbstverständlichkeit.

Einen Blick in den Spiegel warf der als Vertreter des Hausherrn sprechende Thomas Exner, Mitglied der „WELT“ Chefredaktion. Eine große Mehrheit der Deutschen verlasse sich in Zeiten der Bedrohung auf den Staat als eine Art „Übermutter“ mit Versorgungsgarantie. Dies könne dieser aber nicht leisten. Der Staat, so Exner weiter, sei letztlich nur die Summe von uns allen.


Ein Beispiel für das Gegenteil ist der mittlerweile 82-jährige Berliner Unternehmer Peter Zühlsdorff. Ein Self – Made Man, wie er im Buche steht. Aus kleinsten Verhältnissen stammend, als Kriegskind in Armut groß geworden, stieg er bis in die Spitzen-Liga der deutschen Unternehmer auf. Ob als Vorstandsvorsitzender des Wella-Konzerns und Sanierer der Tengelmann-Gruppe überzeugte er stets durch seine Leistungen. Gefragt nach seinem Erfolgsgeheimnis, fällt die Antwort nur knapp aus: Selbstverantwortung, eiserne Leistungsdisziplin und Berücksichtigung von Grundtugenden wie Fleiß, Verlässlichkeit und menschlichen Einfühlungsvermögen. Niemals, so Zühlsdorff bei der persönlichen Schilderung seines Lebens, habe dabei der Gedanke an Geld die ausschlaggebende Rolle gespielt. Wer nur an materielle Güter denke, habe am Ende nie genug davon und ersticke in Neid und Habgier. Ganz davon abgesehen, so seine Erfahrung, zahle sich früher oder später Empathie und Fleiß immer auch aus. Als einzige Triebfeder reiche dies aber nicht. Wohl die meisten der Anwesenden waren sich einig, dass Zühlsdorff ein einzigartiger Höhepunkt war.


Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey nutzte so kurz vor der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus die Gelegenheit, in sympathischer Weise die Erfolge des Senats aus ihrer Sicht aufzuzählen. Ein Stückchen Wahlkampf eben.


Erfrischend und witzig wie immer am Ende der linke Politstar Gregor Gysi – sozusagen zu Gast in der „Höhle des Löwen“. Eloquent präsentierte er seine Ansichten zum Ukraine-Krieg, die Wohnungsbaupolitik und die Gefahren von rechts außen, denen mehr Widerstand entgegengesetzt werden müsse. Zum Abschluss wünschte er seiner Partei viel Erfolg bei den bevorstehenden Wahlen und fügte hinzu:“ ich bin wohl der Einzige hier, der das erhofft“. Das Publikum quittierte diese Einsicht mit Lachen. Laute Zustimmung erfuhr Gysi bei seinen Klagen über die bürokratischen Auflagen, die er als Anwalt für ein Bauprojekt ertragen müsse.


Beim anschließenden Mittagessen wurde rege diskutiert. Mit dabei der langjährige Regierende Bürgermeister Berlin, Eberhard Diepgen wie auch einer seiner Nachfolger Michael Müller. Weiter an der langen Tafel …


Kurzum – der Neujahrsempfang des RDM setzte Maßstäbe.




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