Eindrücke vom RDM-Immobilientag
von Georg Gafron
„Wer anderer Meinung ist, ist noch lange kein Feind!“ Als Kritik und zugleich Mahnung mit Blick auf die öffentlichen Diskussionen in Deutschland, eröffnete Wolfgang Bosbach, jahrzehntelanges Mitglied des Deutschen Bundestages, den diesjährigen Immobilientag des Ring Deutscher Makler Berlin und Brandenburg e. V. am 19. April im Hotel Palace Berlin. Auch nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik ist der einstige innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion ein gern gesehener Gast in Talkshows und auf Podien. Geschätzt wird der humorvolle Rheinländer vor allem wegen seiner Sachkenntnis, aber auch seiner Streitbarkeit. Als überzeugter Demokrat gehört bei ihm zum Angriff auf den politischen Gegner immer auch die ausgestreckte Hand zum Dialog. Umso nachdenklicher machten seine Worte die Teilnehmer im Saal.
Wie mit einem Thermometer maß Bosbach die Hitzewellen innerhalb unserer Gesellschaft. An die Stelle von Kommunikation, analysierte er, sei fast überall eine Konfrontation getreten, die eher einem Freund/Feind-Verhältnis gleiche, als dem Willen zum Kompromiss, um miteinander bei der Lösung der vielen Probleme voranzukommen. Als ein weiteres Krisensymptom bezeichnete Bosbach auch das Verhältnis zwischen den Generationen. Jeder zweite Deutsche lebe heute in einem Ein-Personen-Haushalt – nur 0,5 Prozent in Mehr-Generationen-Gemeinschaften. Die Verabsolutierung des Individuellen führe zur Vereinsamung und schließlich zur Sprachlosigkeit.
Wenn es nicht gelänge, wieder zu einem Klima des Miteinanders auf der Basis eines gemeinsamen Konsenses zu kommen, ließen sich die Herausforderungen der Zukunft nicht bewältigen. Ein Anspruch, der den ganzen Immobilientag 2024 beherrschte.
Auch der langjährig Regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, kritisierte bei all dem auch die von Vielen missverstandene Rolle des Staates, wozu dieser aber auch selbst bewusst beitrage, indem er alle Bereiche immer stärker durch Regelungen und Bevormundungen durchdringe. Dies wiederum habe dazu geführt, dass die Erwartungen an den Staat ins Unermessliche gewachsen seien. Das Ergebnis sei einerseits Verdruss über die überall zu spürende Gängelung bei zugleich wachsender Enttäuschung über die letztlich begrenzten Ressourcen der Gemeinschaft. Dies führe zwangsläufig auch zu Zweifeln an der Demokratie.
Gefordert seien mehr Eigeninitiative und persönliche Leistungsbereitschaft. Eigenschaften, die wieder zum Leitbild der Gesellschaft werden müssten.
Ein weiterer Höhepunkt des Tages war der Auftritt der bayerischen Unternehmerlegende Alfons Doblinger. Aus sogenannten kleinen Verhältnissen kommend, startete der heute über 80 Jahre alte Selfmade-Man mit einem Holzhandel und baute im Laufe der Jahrzehnte ein gigantisches Immobilien- und Firmenimperium im In- und Ausland auf. Doblinger gehört zu den Urgesteinen des Wiederaufbaus und der sozialen Marktwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg – eine einzigartige Persönlichkeit, die man heute nur noch als Unikat bezeichnen kann. Auch er zeichnete ein erschreckendes Bild der Bundesrepublik. Aus einer einst führenden Industrienation sei ein vor sich hinsiechender Abstiegskandidat geworden, der in fast allen Bereichen den Anschluss an die Weltspitze verloren habe. Erforderlich, so Doblinger sei ein grundlegender mentaler Wandel.
Empathie für Arbeit und Leistung müssten wieder zu den höchsten Werten avancieren. Die wöchentliche Arbeitszeit müsse um wenigstens 10 Stunden erhöht werden. Die von Teilen der jungen Generation angestrebte Work-Life-Balance sei genauso realitätsfremd, wie die Forderung nach der Null-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich. Das Wichtigste aber sei das Bestimmen gemeinsamer Ziele, die mit Disziplin, Selbstbeschränkung und Bescheidenheit mit dem Bewusstsein für das Ganze angestrebt werden.
Für den Fall, dass dieser „notwendige Turnaround“ nicht angegangen werde, werde sich, so Doblinger, eine Prophezeiung des verstorbenen Alt-Kanzlers Helmut Schmidt erfüllen, der sagte:
„Wenn wir weiter so machen wie bisher, werden wir eines Tages wieder so viel arbeiten müssen wie zu Bismarcks Zeiten.“
Für kurze Zeit schien das Auditorium erschrocken und fassungslos. Eine Gemütslage, die der Linken-Star Gregor Gysi zu Beginn eines unterhaltsamen und entspannt-unverbissenen Schlagabtausch mit dem heute als Unternehmer tätigen Karl-Theodor zu Guttenberg sofort aufgriff. Er bedankte sich bei seinem Vorredner für die „Ratschläge aus einem vergangenen Jahrhundert“. Ein Spruch, den das Publikum dankbar lachend quittierte, wie überhaupt das professionelle Tête à Tête zwischen dem immer noch überzeugten Sozialisten und dem
ehemaligen Verteidigungsminister trotz unterschiedlicher Meinungen durchgehend harmonisch und mit dem Blick nach vorn optimistisch verlief. Ein gelebtes Stück demokratischer Kultur, das ausdrückte, das bei gutem Willen Aller immer noch die Chance besteht, aus der Moll-Stimmung im Lande auch wieder herauszukommen.
Gastgeber und RDM-Vorsitzender Markus Gruhn hatte es wieder einmal verstanden, durch die Reihenfolge der Redner einen dramaturgischen Bogen aufzuspannen, der für die Gäste neben viel schwerer Kost auch immer wieder Unterhaltendes und Wissenswertes parat hatte. Die Gesundheitsexpertin in den Niederlanden eine gebürtige Berlinerin Nora French verstand es die Zuhörer mit wichtigen Tipps gegen ungesunden Stress zu begeistern und die Legenden Mike Krüger und Otto Retzer sorgten bei aller Probleme in Deutschland für heitere Momente und gute Laune. Zum Schluss sprach dann Filmstar Nastassja Kinski mit Markus Gruhn über die Filmwelt in Deutschland und in Hollywood, bevor dann ein ereignisreicher Tag zu Ende ging. Viele freuten sich schon jetzt auf den Immobilientag im nächsten Jahr mit hoffentlich optimistischeren Botschaften.